Schule als Lernende Organisation
Spricht man von Schule als lernender Organisation, so ist damit im Wesentlichen eine Schule gemeint, die sich „bewegt“, d. h. die nicht nur die Erhaltung und Stabilisierung von bereits Erreichtem und Etabliertem anstrebt, sondern lernfähig und „beweglich“ ihr Gesamtprofil z. B. in Reaktion auf veränderte Lern- und Lebensbedingungen der Schülerinnen und Schüler, innovative Konzepte zur Organisationsentwicklung oder kreative Gestaltungsimpulse aus den Reihen der an Schule insgesamt Beteiligten (Lehrkräfte, Eltern, Schüler*innen, pädagogische Mitarbeiter*innen) stetig ausdifferenziert. Ausdruck dieser Beweglichkeit sind die im Folgenden dargestellten, im Rahmen der Entwicklung unserer Schule zurzeit relevanten Themen.
Rhythmisierung
Die Projektgruppe "Rhythmisierung" wurde ins Leben gerufen, um tradierte Unterrichtsstrukturen und -methoden zu überprüfen, zu überarbeiten und zeitgemäß zu gestalten.
Für die Rhythmisierung sprechen eine Reihe von Argumenten:
- weniger Lerngruppen pro Tag
- weniger Unterrichtsvorbereitung für die Lehkräfter
- Fokussierung auf wenige Fächer pro Tag für die Schüler*innen
- weniger Raum- bzw. Gebäudewechsel
- bessere Möglichkeiten zur Umsetzung binnendifferenzierten Unterrichts - mehr Möglichkeiten in der Methodenvielfalt
- mehr Zeit für die Nutzung der neuen Technologien
- Förderung von Eigenverantwortung und Selbstständigkeit der Schülerinnen und Schüler
- mehr Ruhe und Zeitgewinn durch Verzicht auf 5-Minuten-Pausen
- weniger Lärm in den Gebäuden
- herrliche Ruhe durch fehlenden Gong
- insgesamt: entspannteres Arbeiten für alle Beteiligten
Binnendifferenzierung
In der aktuellen didaktischen Diskussion stößt man immer wieder auf Begriffe wie Individualisierung, Kompetenzorientierung oder Binnendifferenzierung. Zum Glück, muss man sagen, zeugen diese Begriffe doch von der Berücksichtigung von Vielfalt, d. h. von einem besonderen Bewusstsein dafür, dass Kinder und Jugendliche auf unterschiedliche Weise lernen. Diese Unterschiedlichkeit äußert sich im Unterricht darin, dass Schülerinnen und Schüler unterschiedliche Lernwege bevorzugen, nicht in einheitlichen Lerntempi arbeiten und Informationen verschiedenartig aufnehmen und verarbeiten. Ursachen dieser Heterogenität im Klassenraum sind z. B. in der entwicklungsbedingten Individualität eines Kindes oder in den soziokulturellen Einflüssen, die ein Kind prägen, zu suchen. Familienkonstellation, materielle Lebensbedingungen oder Quantität und Qualität von lernrelevanten Erfahrungen (z. B. Sprach-, Lese- und Hörerlebnisse) konstituieren die Lernmöglichkeiten von Kindern und Jugendlichen. Diesen Ausgangsbedingungen muss das pädagogische Konzept einer Schule Rechnung tragen. Die IGS Roderbruch begegnet diesem besonderen Anspruch an schulisches Lernen z. B. durch innere Differenzierung, auch Binnendifferenzierung genannt. Die wesentlichen Eckdaten zum Konzept sind u. a. in der Ausgabe der Gelben Reihe - die schulinterne Publikationsreihe zu didaktischen und schulentwicklungsbezogenen Themen - „Binnendifferenzierung in den Fächern Mathe, Englisch und Deutsch im 7./8. Jahrgang - Grundsätze und Vereinbarungen“ gefasst.
Unterrichtsqualität: Was ist guter Unterricht?
Diese Frage zu beantworten ist alles andere als leicht. Stellt man sie zur Diskussion, muss man in der Regel damit rechnen, dass die Auffassungen über Unterrichtsqualität ungefähr so zahlreich sind, wie die Personen, die sich darüber äußern. Das hängt sicherlich damit zusammen, dass Lehrer*innen auf Grundlage der eigenen Unterrichtserfahrungen, auf Grundlage der Ausbildung oder auf Grundlage von Fortbildungen, die man in Anspruch genommen hat, ein ganz individuelles Verständnis von Unterrichtsqualität entwickeln. Dies kann durchaus von Vorteil sein, können doch diese vielen Perspektiven bereichernd aufeinander bezogen werden. Dennoch macht dieser Umstand die Beantwortung der Frage, was guten Unterricht auszeichnet, nicht gerade einfacher.
Eine Möglichkeit aber um zu bestimmen, was qualitativ hochwertigen Unterricht auszeichnet, ist, dass man die grundlegenden Ziele festlegt, die man mit diesem Unterricht erreichen will.
Ein grundlegendes Bildungsziel an der IGS Roderbruch ist die Förderung von Lernkompetenz. Mit Lernkompetenz ist die sehr komplexe Fähigkeit dazu gemeint, das eigene Lernen selbstständig zu planen, zu gestalten und zu reflektieren bzw. in einer spezifischen Problemsituation auf ein Repertoire an Sachwissen, Lerntechniken, Methoden, Strategien und kommunikativen Möglichkeiten zuzugreifen, um das Problem zu lösen.
Im Klartext: Die Schüler*innen wissen, wie man lernt, können über ihr Lernen reflektieren und das Gelernte (Sachwissen oder Lerntechniken) anwenden, um Probleme zu lösen.
Diese Kompetenz entwickelt zu haben, ist gerade vor dem Hintergrund der komplexen Anforderungen, denen sich Schüler*innen später z. B. in beruflichen Kontexten zu stellen haben bzw. vor dem Anspruch lebenslang lernen zu müssen, nahezu unverzichtbar.
Guter Unterricht ist aus dieser Perspektive ein Unterricht, der Lernkompetenz anzubahnen hilft.
Die folgende Übersicht umfasst eine Zusammenschau von Standards, die als Orientierungspunkte für einen Unterricht dienen, in dem die Vermittlung von Lernkompetenz ein übergeordnetes Ziel ist.
Lernkompetenz
Lernkompetenz wird wirkungsvoll gefördert, wenn Schülerinnen und Schüler…
methodische Kompetenz
- … in die Planung und Gestaltung von Unterricht eingebunden werden,
- … effektive Lern- und Arbeitsstrategien entwickeln,
soziale Kompetenz
- … im Team lernen und handeln,
- … sich als Lernpartner*innen unterstützen,
personale Kompetenz
- … selbst ermitteln, was sie schon können,
- … sich selbst erreichbare Ziele setzen,
- … im individuellen Tempo arbeiten,
- … das Lernergebnis selbst bewerten,
- … sich beim Lernen beobachten und bewerten,
- … die Lernentwicklung dokumentieren.
- … die Lernerfahrung reflektieren,
- … beim Lernprozess nachsteuern.
Guter Unterricht ist aus der Lernkompetenzperspektive ein Unterricht, der diese Standards berücksichtigt!
(zu den Standards vgl. Buschmann, Renate (Hrsg.): Lernkompetenz fördern - damit Lernen gelingt. Leitfaden und Beispiele aus der Praxis. Köln 2010, S. 5)
EMU
Hinter diesem Namen verbirgt sich nicht die besondere Affinität zu einem Vogel, sondern ein Instrument der Unterrichtsentwicklung, mit dessen Hilfe wir unseren Alltagsunterricht reflektieren und ggf. verbessern.
Eine wesentliche Voraussetzung für Unterrichtsentwicklung ist, dass z. B. durch kollegiale Hospitation und Schülerfeedback Informationen über Unterricht gesammelt werden, aus denen heraus Entwicklungsimpulse formuliert werden können. EMU stellt für diese Prozesse das notwendige Handwerkszeug in Form von Fragebögen, eines Auswertungsprogramms und organisatorischen Tipps und Hilfen zur Verfügung.
Die Abkürzung EMU bedeutet: Evidenzbasierte Methoden der Unterrichtsdiagnostik und -entwicklung. „Evidenzbasiert“ meint, dass Entwicklungsimpulse nicht unreflektiert gegeben werden, sondern datengestützt, aus einer Bestandsaufnahme heraus resultieren.
Eine solche Bestandaufnahme ist unbedingte Voraussetzung dafür, dass Unterrichtsentwicklung gelingt. Man benötigt neben einer Selbsteinschätzung immer auch einen „fremden Blick“, um über die eigenen Stärken und Schwächen ins Bild gesetzt zu werden und seinen Unterricht gezielt weiterzuentwickeln. Unterrichtsentwicklung ohne fundierte Diagnose sei, so formuliert es der Begründer dieses Konzeptes Andreas Helmke, nichts anderes als ein „Stochern im Nebel".
Pädagogische Werkstätten der Deutschen Schulakademie
Seit 2019 nimmt eine Kolleg*innendelegation der IGS Roderbruch an der Pädagogischen Werkstatt Lernen: Individuell und gemeinsam! teil. Diese Werkstatt greift ein zentrales Problem aktueller Unterrichts- und Schulentwicklung auf: Die zunehmende Heterogenität der Schülerinnen und Schüler stellt alle Schulen – unabhängig von der Schulart – vor die Herausforderung, produktive Antworten auf diese Unterschiedlichkeit zu entwickeln.
Ziel der Werkstatt ist, den täglichen Unterricht so zu gestalten, dass die Schülerinnen und Schüler die Chance erhalten, ihre individuell bestmöglichen Leistungen erbringen zu können. Der Schwerpunkt der Werkstatt-Arbeit liegt in der gemeinsamen Entwicklung entsprechender Unterrichtsarrangements und -einheiten. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sollen über Lernen und Unterricht nicht nur nachdenken, sondern die gemeinsame Reflexion konkret an exemplarischen Beispielen in Unterrichtsplanung umsetzen.
(siehe auch https://www.deutsche-schulakademie.de/werkstatt/lernen-individuell-und-gemeinsam/)
Lernentwicklungsberichte und Feedbackkultur
Sowohl im Primarbereich als auch in den Jahrgängen 5 bis 7 des Sekundarbereichs I werden an der IGS Roderbruch die Leistungen der Schüler*innen in individuellen Lernentwicklungsberichten gefasst.
Lernentwicklungsberichte beziehen sich nicht wie Notenzeugnisse ausschließlich auf die Produkte des Lernens, sondern berücksichtigen stets auch prozessbezogene Aspekte, die individuellen Lernfortschritte der Schüler*innen und darüber hinaus auch überfachliche Kompetenzen, wie z. B. Kooperations-, Konflikt- und Teamfähigkeit, sowie Toleranz und Kompromissbereitschaft im Umgang mit Mitschülerinnen und Mitschülern. Auf diesem Wege erhalten Schüler*innen und Eltern detaillierte Rückmeldungen zur aktuellen Lernsituation, zu Lernfortschritten und ggf. auch zu Lerndefiziten in den einzelnen Fächern. Diese Rückmeldungen können zudem als Gesprächsgrundlagen für Beratungskontexte (Eltern-/Lernstandsgespräche etc.) genutzt werden.
Wesentlich erscheint, dass sich der Inhalt eines Lernentwicklungsberichts an einem pädagogischen Leistungsbegriff orientiert: Neben den Ergebnissen werden in die Leistungseinschätzung der individuelle Lern- und Entwicklungsprozess der Kinder und Jugendlichen, die soziale Dimension des Lernens und eine Förder- und/oder Forderperspektive in Bezug auf das weitere Lernen einbezogen. Die pädagogische Funktion der Leistungsbewertung hat damit Vorrang vor der Verteilungs- und Selektionsfunktion.
Lernentwicklungsberichte an der IGS Roderbruch folgen in ihrer Grundausrichtung stets den Prinzipien des Ermutigens und Förderns, sind folglich in einer dem Kind zugewandten Weise mit dem Ziel formuliert, Persönlichkeit in letzter Konsequenz zu stärken.