Die Macht der Erinnerung

Die Macht der Erinnerung
100 Jugendliche bringen die „Unterwelt“ auf die große Bühne der Staatsoper Hannover 

 

Hannover. Es ist nicht direkt ein Happy End, aber „Unterwelt“, die letzte Staatsopern-Premiere der Intendanz von Michael Klügl, schließt doch mit etwas, was das Leben reicher macht – einer Erkenntnis. Natürlich, so stellen es die Akteure auf der Bühne fest – neben einigen Opernsängern sind das rund 100 Kinder und Jugendliche aus Hannover –, kann man einen verstorbenen Menschen, ein Haustier von früher oder auch nur den lange nicht mehr geschmeckten Erdbeerkuchen der Oma nicht einfach in die Gegenwart zurückholen. Und doch kann es ein Fortleben geben: in der Erinnerung der Menschen, die sich auf etwas einst Geliebtes besinnen.

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Der Weg zu dieser Erkenntnis ist an der Staatsoper etwas verschlungen und führt gleichzeitig in die Vergangenheit und die Zukunft: Die beiden Regisseure Martin G. Berger und Jonas Egloff haben mit den Jugendlichen eine „partizipative App-Oper auf Grundlage des Orpheus-Mythos“ auf die große Bühne gebracht.

In der griechischen Sage versucht der Sänger Orpheus, seine verstorbene Frau Eurydike aus der Unterwelt zurück ins Leben zu führen. In der App-Oper nähern sich die Jugendlichen diesem Thema, indem sie sich die Frage stellen, was sie vermissen. Die Antworten fallen sehr unterschiedlich aus: Mal fehlt die Freundin, die in syrischen Kriegswirren zurückgeblieben ist, mal fehlt das Internet wegen des kaputten WLANs.

Im ersten Teil der zweistündigen Aufführung, die als Zusammenarbeit zwischen der Oper, dem Musikzentrum und der Stadt entwickelt wurde, werden die Antworten in Gruppen zusammengefasst: Die Jugendlichen beschwören ihre jeweiligen Erinnerungen und versuchen damit immer wieder vergebens, eine auf die Bühnenwand projizierte Computer-App namens Eurydike dazu zu bewegen, den Eingang zur Unterwelt zu öffnen (Bühne: Sarah-Katharina Karl, Interaction Design: Roman Rehor).

Andrang beim Höllenmeister

Das gelingt erst Orpheus (Daniel Preis) aus Christoph Willibald Glucks gleichnamiger Oper, die in knappen Auszügen gespielt wird, mithilfe des angesichts des Andrangs vor seiner Tür endlich überforderten Höllenmeisters (Frank Schneiders): Mit dem eisernen Bühnenvorhang öffnet sich das Tor zur Unterwelt.

Dort entfaltet der Abend einen Theaterzauber, der über die beeindruckende pädagogische Leistung hinausgeht, die ein solches Projekt ja vor allem ist. Das liegt zum einen an der zitierfreudigen, atmosphärisch dichten Musik, die Vivan und Ketan Bhatti aus den mithilfe von Apps entwickelten musikalischen Beiträgen der Jugendlichen komponiert haben. Das Staatsorchester bringt sie unter Leitung von Cameron Burns von einem Balkon am hinteren Bühnenende zum Klingen.

Zum anderen sind die Begegnungen der Jugendlichen mit den Verstorbenen zum Teil verstörend in Szene gesetzt: Ein Mädchen mit Kopftuch sucht die Freundin, mit der es alles im Leben geteilt hat – und findet sie in einem groß gewachsenen Bassisten. Derselbe Sänger (Yannick Spanier) entpuppt sich später als geheimnisvolle Großmutter ganz verschiedener Kinder. Die Begegnung der Lebenden und der Toten ist so weniger von Wiedersehensfreude geprägt als von Irritation. Unterbrochen werden die Szenen von starken Choreografien von Bettina Stieler.

Am Ende, auf dem Weg zurück aus der Unterwelt, wird auch das ungewohnt bunt zusammengesetzte Publikum angehalten, sich zu erheben und umzudrehen. Dazu wird es wie einst Orpheus ermahnt, keinesfalls den Blick hinter sich zu wagen.

Erst wenn wieder eine Arie von Gluck ertönt, nehmen die meisten wieder ihre Plätze ein und können nun auch sehen, wie zur versöhnlichen Musik die versöhnlichen Worte von der Macht der Erinnerung gesprochen werden. Begeisterter Applaus.

Noch einmal am heutigen Montag und am Dienstag, 2. Juli, jeweils um 11 Uhr.

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